Daten sind zunehmend der Treibstoff für alle Mobilitätsanwendungen und die Basis für erfolgreiche Geschäftsmodelle. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Verkehrssicherheit und müssen in einem intelligenten Mobilitätssystem lückenlos und verkehrsträgerübergreifend zur Verfügung stehen.
Eine einheitliche und qualitativ hochwertige Informationsbasis ist Voraussetzung für intelligente Mobilitätssysteme. Auf die Frage, welche Daten für die Intelligente Mobilität im Einzelnen erforderlich sind, gibt es bisher aber keine abschließende und allgemein anerkannte Antwort. Zugleich gibt es keinen umfassenden Überblick darüber, an welchen Stellen diese Daten erhoben und gehalten werden. Eine Zusammenstellung relevanter Daten für die Intelligente Mobilität ist zentrale Voraussetzung für die Umsetzung der Maßnahmen der Roadmap.
In einem ersten Schritt sollte ein „Nationales Mobilitätsdatenforum“ mit öffentlichen und privaten Akteuren unter Schirmherrschaft des Bundesverkehrsministers eingerichtet werden. Dieses sollte konkrete inter-/multimodale Anwendungsfälle definieren, auf deren Grundlage ein Basis-Set mobilitätsrelevanter Daten erarbeitet wird.
Für die Daten sollten Qualitätsanforderungen im Sinne eines Mindeststandards festgelegt werden. Hierbei sind die Standardisierungsbemühungen abgeschlossener und laufender Aktivitäten (z. B. VDV-Standards, OCIT, DELFI, OGC, GTFS) zu berücksichtigen und Anforderungen aus dem europäischen IVS-Gesamtkontext zu antizipieren. Das Basis-Set sollte kontinuierlich und entsprechend den technischen Entwicklungen weiterentwickelt werden.
Das Basis-Set sollte insbesondere Daten der öffentlichen Hand, bspw. Geo-, Basis-, Fach-, und Infrastrukturdaten, umfassen. Es kann aber auch ausgewählte private – z. B. anbieter- oder herstellerseitig erhobene – Daten, die als sicherheits- bzw. steuerungsrelevant definiert werden, einschließen. Heute relevante (Echtzeit-)Daten sind bspw. Status- und Verfügbarkeitsinformationen zur Infrastruktur (insbesondere sicherheitsrelevante Ereignisse; Belegungs- und Auslastungssituation), Basisdaten zum Netz, Satelliten- und In-Situ-Daten (der Infrastrukturen), Wetter- und Umweltdaten, Preisinformationen des ÖV sowie Fahrplan- bzw. Auskunftsdaten. Perspektivisch können auch bestimmte nutzergenerierte Daten, die bspw. Fahrzeugsensoren erfassen, in anonymisierter Form bereitgestellt werden. Je nach Verwendungszweck der definierten Daten können differenzierte Zugriffsrechte und weiterführende Anforderungen an die Bereitstellungsinfrastruktur, bspw. für Daten mit kleinräumigen Datenbezug oder geschützte Daten, festgelegt werden.
Für die Weiterentwicklung der Intelligenten Mobilität ist es wichtig, vorhandene Datenbestände der öffentlichen Hand noch besser zu erschließen. So wird der umfassende Zugang zu Daten als einer der wichtigsten Faktoren zur Weiterentwicklung der Intelligenten Mobilität in der im Rahmen des Digital-Gipfels 2016 durchgeführten Expertenumfrage genannt. Verfügbare, mobilitätsrelevante Daten der öffentlichen Hand sowie der Privatwirtschaft und Wissenschaft müssen so einfach wie möglich aufzufinden sein. Der Mobilitätsdatenmarktplatzes (MDM), die mCLOUD und die „Clearingstelle Verkehr“ des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) sind bereits wichtige Meilensteine auf diesem Weg. Dennoch ist die Suche nach mobilitätsrelevanten Daten häufig noch mit hohem Aufwand verbunden. Möglichst viele Daten des Basis-Sets sollten über einen zentralen Zugangspunkt (Daten-Hub) und in einheitlichen Formaten zur Verfügung gestellt werden. Dazu bedarf es eines verkehrsträgerübergreifenden Gesamtkonzepts für die Bereitstellung mobilitätsrelevanter Daten.
Zur Vereinfachung und Harmonisierung der Datenbereitstellung sollten die bestehenden mobilitätsspezifischen Verzeichnisse und Plattformen der öffentlichen Hand zu einer abgestimmten Datenbereitstellungsinfrastruktur weiterentwickelt werden. Auf diese Gesamtarchitektur müssen die bestehenden Plattformen, Datenmodelle und Standards ausgerichtet und zielgerichtet erweitert werden. Um einen Zugang zu personenbezogenen Mobilitätsdaten der öffentlichen Hand zu ermöglichen, sollten zudem die technischen und datenschutzrechtlichen Möglichkeiten einer anonymisierten Bereitstellung dieser Daten geprüft werden, bspw. über akkreditierte Forschungsdatenzentren oder institutionalisierte Datentreuhandstellen. Diese Infrastruktur muss über einen zentralen und transparenten Zugangspunkt im Sinne eines (Echtzeit-)Datenverzeichnisses verfügen. Dazu bedarf es einheitlicher Standards und offener Schnittstellen („datenorientiert“, bspw. API-Abruf) auch mit Blick auf die künftigen Anforderungen des europäischen Rechtsrahmens.
Die Bedeutung von Datenbereitstellungsinfrastrukturen wächst mit der Menge der darüber abrufbaren Daten und der dadurch eröffneten Nutzungsmöglichkeiten. Hier nimmt die öffentliche Hand eine Vorreiterrolle bei einem offenen Umgang mit Daten ein. Der Open Data-Ansatz des BMVI ist beispielhaft. Der Entwurf des sog. Open Data-Gesetzes, das die unentgeltliche Bereitstellung offener Daten durch Behörden der unmittelbaren Bundesverwaltung vorsieht, ist ein weiterer wichtiger Schritt. Die Bereitstellung ermöglicht neben vorausschauender (Infrastruktur-)Planung und intelligenter Verkehrssteuerung die Entwicklung neuer, datenbasierter Mobilitätsmodelle.
ei der Bereitstellung von (Echtzeit-)Daten der öffentlichen Hand und des öffentlich bestellten Verkehrs sollten zunächst kurzfristig realisierbare Aktivitäten im Fokus stehen. Ein erster Schritt wäre die Berücksichtigung der Maßnahmen des Handlungsfelds 2 bei der Aufstellung der nächsten Nationalen Open-Government-Partnership-Aktionspläne. Zudem wird dem BMVI empfohlen, mit einer „Scouting“-Initiative vorhandene Datenbestände der öffentlichen Hand zu identifizieren, die mit geringem Aufwand erschlossen werden können. Die koordinierte Digitalisierung, Bereitstellung und Zusammenführung dieser Daten sollte seitens des BMVI koordiniert und unterstützt werden. Darüber hinaus ist in öffentlichen Ausschreibungen bzw. der öffentlichen Vergabe von Aufträgen und Konzessionen eine verpflichtende Verfügbarmachung von Daten mit Mobilitätsbezug gemäß der definierten Standards (s. Maßnahme 2.1) anzustreben. Besonders wichtig ist dabei die nachhaltige Datenverfügbarkeit im Sinne von Qualitätssicherung und kontinuierlicher Aktualisierung.
Die Digitalisierung und Bereitstellung vorhandener Datenbestände sind mit erheblichem Aufwand und Kosten verbunden. Gerade auf Seiten der öffentlichen Hand wird vor Ort nicht immer der Nutzen gesehen, der aus der Bereitstellung der dort gehaltenen Daten erwachsen kann. Um die Verantwortlichen vom allseitigen Mehrwert einer Datenbereitstellung mit Blick auf die Intelligente Mobilität zu überzeugen, bedarf es einer erfahrenen Unterstützung und gebündelter Kompetenz.
Bereich des ÖPV haben sich bereits stellenweise Datenkoordinatoren etabliert, die öffentliche datenhaltende Stellen unterstützen. Insbesondere auf Länder- und Kommunalebene sollte dieses Modell hin zu einem multimodal ausgerichteten und flächendeckend etablierten Botschafter-Modell weiterentwickelt werden. Zentrale Funktionen dieses Botschafters für Mobilitätsdaten sind zum einen die Vermittlerfunktion. Diese umfasst das Werben für die Datenbereitstellung sowie die Sensibilisierung der Akteure „vor Ort“ für die Notwendigkeit einer lückenlosen (Echtzeit-)Informationsbasis. Dazu gehört auch die Erarbeitung spezifischer Kosten-Nutzen-Abschätzungen, die den Beteiligten eine realistische Investitions- und Finanzierungsbewertung hinsichtlich der Datenerschließung ermöglichen. Zum anderen hat der Datenbotschafter eine neutrale Beratungsfunktion hinsichtlich des Vorgehens bei der Digitalisierung und Zusammenführung der Daten sowie der Erschließung von Fördermöglichkeiten. Für die Etablierung empfiehlt sich die Einrichtung einer zentralen Koordinierungsstelle auf Bundesebene durch das BMVI. Die Botschafter sollten dort verortet und durch den Bund finanziert werden. Ihre Aufgaben nehmen die Datenbotschafter regional in enger Zusammenarbeit mit den datenhaltenden Stellen und Datenbedarfsträgern, z. B. Verkehrsverwaltungen der Länder und Kommunen, Verkehrsverbünden, städtische Verkehrsleitzentralen, Betreibern öffentlicher und halböffentlicher Infrastrukturen und Anbietern von Mobilitätsdiensten, wahr.
Für die Schaffung einer lückenlosen (Echtzeit-)Informationsbasis ist neben den von öffentlicher Seite bereitgestellten Daten (s. Maßnahme 2.3) auch eine gezielte Ergänzung durch Datenbestände der nicht-öffentlichen Akteure des Mobilitätsmarktes notwendig. Letztere sind essentiell für eine präzisere, kooperative Verkehrssteuerung. So haben private Daten zur unternehmerischen Angebotsplanung und zum individuellen Nachfrageverhalten im Verkehr eine höhere Aktualität und Genauigkeit und können einen Mehrwert für die intelligente Steuerung des Verkehrs leisten (z. B. Prognosen von Staus, intelligente Ampelführung). Erst durch diese Zusammenführung von vorwiegend Infrastrukturdaten der öffentlichen Hand mit den Daten privater Mobilitätsanbieter lässt sich ein vollständiges Echtzeitlagebild gewinnen.
und und Länder sollten die Bereitstellung definierter, mobilitätsrelevanter (Echtzeit-)Daten durch die Privatwirtschaft mit gezielten Anreizen befördern. Dazu wird empfohlen, dass das BMVI in einem ersten Schritt eine gemeinsame Initiative datenhaltender Akteure der Mobilitätsbranche – primär aus dem Bereich ÖV – initiiert, um eine offene Datenkultur zu schaffen (s. auch Maßnahme 7.2). In einem zweiten Schritt ist eine Absichtserklärung privater Akteure anzustreben, um bestimmte mobilitätsrelevante Daten in Einklang mit bestehenden Geschäftsmodellen und unter strikter Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Regelungen bereitzustellen. Dabei sind auch aktuelle Arbeiten auf EU-Ebene, etwa im Rahmen der C-ITS-Plattform zu berücksichtigen. Eine verpflichtende Bereitstellung sicherheitsrelevanter Daten und der Bedarf ggf. erforderlicher ergänzender Bereitstellungsinfrastrukturen für sensible Daten, bspw. Datentreuhandstellen, sollten nach Abschluss der definitorischen Arbeiten zu Maßnahme 2.1 geprüft werden.
Mit einer zunehmend vernetzten und datenbasierten Mobilität gehen auch Sicherheitsrisiken einher. Das Thema Datensicherheit ist im Kontext der Intelligenten Mobilität daher von zentraler Bedeutung. So ist bspw. für den Verkehrsträger Luft die Sicherheit vor manipulativen Eingriffen als auch die Validität übermittelter Daten essentiell und Gegenstand erster Best-Practice-Modelle sowie Bemühungen um ein standardisiertes „Cyber-Risikomanagement“. Die verkehrsträgerübergreifende Auseinandersetzung mit bestehenden Risiken führt zu einer Sensibilisierung für das Thema Datensicherheit im Mobilitätskontext und ermöglicht die frühzeitige Identifikation von erforderlichen Schutzmaßnahmen insbesondere hinsichtlich der Datenbereitstellungsinfrastruktur der öffentlichen Hand (s. Maßnahme 2.2). In diesem Rahmen kann zudem Transparenz über bestehende Datensicherheitslevels hergestellt und das für eine Verwendung der bereitgestellten Daten zu Steuerungs- oder Forschungszwecken erforderliche Vertrauen seitens der Datenbedarfsträger gestärkt werden.
Es wird empfohlen, den Dialog über die Anforderungen an die Datensicherheit im Mobilitätsbereich auf Bundesebene zu initiieren. Im Rahmen dieses Dialogs sollten mobilitätsspezifische Risikoszenarien entlang inter-/multimodaler Mobilitäts- und Logistikketten identifiziert werden. Insbesondere für die Prozesse der Datenerhebung, ‑bereitstellung und -verarbeitung sollten diese Szenarien gemeinsam mit den beteiligten Akteuren ausgewertet werden. Parallel sollte eine Sichtung und Bestandaufnahme bereits existierenden Materials, insbesondere Datensicherheitsstandards, Best Practices und bestehende Normen vorgenommen werden. Auf dieser Basis ist ein mobilitätsspezifisches Datensicherheitskonzept für das zentrale Mobilitätsdatenverzeichnis durch den Bund in Zusammenarbeit mit Vertretern datenhaltender Stellen und Datenbedarfsträgern, bspw. Anbietern von Diensten, zu erarbeiten.