Viele Bereiche der Intelligenten Mobilität weisen eine hohe Innovations- und Wachstumsdynamik auf, unterliegen aber (noch) nicht der Regulierung. Ein bedarfsgerechter und vorausschauend weiterentwickelter Rechtsrahmen schafft die notwendige Balance zwischen Freiheit für Innovation und Sicherheit für Investition, damit intelligente Mobilitätslösungen erfolgreich entwickelt, getestet und ausgerollt werden können.
Ein innovationsförderndes Umfeld für die Intelligente Mobilität bedarf eines rechtlichen und regulatorischen Rahmens mit ausreichender Aktualität und Reflektion aktueller technischer Entwicklungen bei gleichzeitiger Stabilität und Rechtssicherheit. Eine späte Anpassung rechtlich-regulatorischer Rahmenbedingungen an aktuelle technische Entwicklungen verzögert die Überführung von erfolgreichen Pilotprojekten in die Praxis.
Der Rechtsrahmen sollte unter verstärkter Berücksichtigung sich noch in Frühstadien befindlicher Technologien und Mobilitätsmodelle überprüft und bedarfsgerecht an die Digitalisierung angepasst werden. Rechtsanpassungen, die für die Realisierung neuer Mobilitätslösungen notwendig sind, sollten verstärkt bereits im Rahmen der Entwicklungs- und Erprobungsphase vorbereitet und konzipiert werden, bspw. bei öffentlich geförderten Vorhaben. Eine im Rahmen des Digital-Gipfels 2016 durchgeführte Expertenumfrage identifizierte u. a. in den Bereichen Zugang zu Daten, Datenschutz und Datensicherheit sowie Regelung von Zuständigkeiten Anpassungsbedarf beim rechtlich-regulatorischen Rahmen. Unter Initiative des Bundes sollte ein Netzwerk von Sachverständigen aufgebaut werden, die speziell zur Überprüfung einzelner Rechtsnormen hinzugezogen werden können. Gesetzgeber auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene sollten im Rahmen ihrer innovationfördernden Aktivitäten und Maßnahmen die frühzeitige Konzeption gegebenenfalls erforderlicher Rechtsanpassungen verankern. Das Sachverständigen-Netzwerk kann hierbei projektbezogen unterstützen.
Der Großteil digitaler Geschäftsmodelle basiert auf der Analyse und Verwertung immer größer werdender Datenmengen – sowohl für die Erbringung der jeweiligen Dienste selbst als auch für eine kommerzielle Zweitverwertung. Für den Nutzer ist jedoch häufig nicht transparent, welche Daten zu welchem Zweck bei der Nutzung von datenbasierten Diensten erhoben werden und wer in welcher Form von den erhobenen Daten profitiert. Das beeinträchtigt die Nutzerakzeptanz und das Vertrauen in digitale Geschäftsmodelle. Größere Transparenz hinsichtlich Datenerhebung und -verwertung ist aufgrund der Sensibilität der im Mobilitätsbereich anfallenden Daten – welche häufig einen Bezug zu den Bewegungsprofilen der Nutzer aufweisen – von besonderer Relevanz (s. auch Maßnahme 7.1 und 7.2). Gleichzeitig sind Technologieentwicklungen, die eine vollständige Anonymisierung der erhobenen Daten ermöglichen, erforderlich. Anknüpfungspunkte zur Stärkung der Datensouveränität des Nutzers finden sich in der europäischen Datenschutz-Grundverordnung, bspw. das Recht auf Datenportabilität, Anonymisierung und Pseudonymisierung oder das sogenannte „Recht auf Vergessenwerden“.
Seitens der Mobilitätsbranche – insbesondere der Anbieter datenbasierter Mobilitätsdienste und datenerhebender Unternehmen – ist eine Selbstverpflichtung zur Stärkung der Datensouveränität des Nutzers im Sinne einer informierten Selbstbestimmung anzustreben. Diese Aktivität knüpft an Forderungen zu konkreten Anwendungsfeldern, bspw. der Empfehlung des 52. Deutschen Verkehrsgerichtstags zur einfachen Formulierung der wichtigsten Informationen bzgl. Erhebung, -verarbeitung und -übermittlung von Fahrzeugdaten, an. Anbieter von Mobilitätsdiensten, Verkehrsunternehmen und Hersteller sollten sich – aufbauend auf dem rechtlich-regulatorischen Rahmen – auf gemeinsame Leitlinien zur Schaffung von mehr Transparenz verständigen. Das sollte insbesondere die Information des Nutzers bzgl. Datenerhebung, -verarbeitung und -übermittlung in einheitlichen und verständlichen Formaten umfassen. Das BMVI sollte Mechanismen und Angebote, die eine differenzierte Datenfreigabe bei Nutzung bzw. Teilnahme an der Intelligenten Mobilität ermöglichen („Wahlfreiheit“), gezielt fördern und unterstützen, bspw. in Form eines Zertifizierungsprogramms.
Die Verwertung von (personenbezogenen) Daten im Kontext innovativer Mobilitätslösungen muss im Einklang mit dem Recht des Nutzers auf Privatheit und informationelle Selbstbestimmung stattfinden. Vor dem Hintergrund der derzeitigen digitalisierungsgetriebenen Umbrüchen im europäischen Datenschutzrecht besteht seitens (potenzieller) öffentlicher und privater Anbieter innovativer Mobilitätslösungen häufig erhebliche Unsicherheit hinsichtlich der Möglichkeiten einer datenrechtskonformen Verwertung der im Mobilitätskontext generierten personenbezogenen und personenbeziehbaren Daten. Eine produktive Nutzung dieser Daten wird so behindert.
Ein vom BMVI initiiertes Daten-Dialogforum könnte (potenzielle) Anbieter innovativer Lösungen bei Fragen zum datenschutzrechtskonformen Umgang mit personenbezogenen Daten unterstützten. Dieses kann bestehende Gesprächsforen zwischen Wirtschaft und Datenschützern – bspw. im Rahmen der C-ITS-Plattform – ergänzen und zusätzliche Transparenz bzgl. datenrechtskonformer Nutzungsmöglichkeiten dieser Daten schaffen. Neben den Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder sollten Vertreter der Verkehrsverwaltungen der Länder und Kommunen, Anbieter und datenbasierter Mobilitätsdienste und Vertreter der Zivilgesellschaft (Fokus: Datenschutz und Open Data) eingeladen werden. Aufgabe des Dialogforums ist zum einen die Förderung des direkten Austauschs der Akteure. Zum anderen gilt es, bestehende Orientierungshilfen zum Umgang mit personenbezogenen Daten zu prüfen und Nutzungs- und Verwendungsmöglichkeiten in Form eines an die Digitalwirtschaft adressierten „Leitfadens für die Datenerhebung und -nutzung im Bereich Mobilität“ verständlich aufzubereiten („Welche Daten gibt es? Wem gehören sie? Wie dürfen sie verwendet werden?“).
Die zügige Entwicklung eines intelligenten Mobilitätsmarkts bedarf einer schnellen und einfachen Erprobung neuer Mobilitätslösungen sowie der Einrichtung von Experimentierfreiräumen. Insbesondere im Bereich des öffentlich bestellten Verkehrs und der öffentlichen Infrastruktur sind eine experimentelle Erprobung und eine rasche Umsetzung erprobter Mobilitätslösungen und kooperativer Ansätze oftmals mit erheblichen Abstimmungs- und Entscheidungsaufwänden verbunden. Öffentliche Auftragsverhältnisse können vor diesem Hintergrund als Hebel für die Weiterentwicklung der Intelligenten Mobilität genutzt werden, indem sie für Innovationsansätze geöffnet werden.
Zur Öffnung öffentlicher Auftragsverhältnisse für Innovationen sollten mobilitätsbezogene Planungs- und Kostenansätze sowie Ausschreibungen der öffentlichen Hand stärker an den IT-basierten Geschäftsstrukturen („Lebenszyklus-Ansatz“) ausgerichtet werden. Darauf aufbauend gilt es, intelligente Ansätze (bspw. inter-/multimodale Schnittstellen) in sämtliche mobilitätsbezogenen Ausschreibungen und Kostenansätze der öffentlichen Hand zu integrieren. Der Beitrag zur Inter-/Multimodalität sollte dabei als eigenständiges Kriterium für jeden mobilitätsbezogenen Planungs- und Kostenansatz sowie für jede Auftragsvergabe der öffentlichen Hand verankert werden. Seitens der öffentlichen Auftraggeber, insbesondere auf Länder- und Kommunalebene, sollten zudem pragmatisch handhabbare Experimentierklauseln für mehr unternehmerischen Freiraum bspw. in den Verträgen der beauftragten Verkehrsbetriebe verankert werden. So können z. B. kooperative Mobilitätsmodelle im Bereich Sharing Mobility oder E-Hailing (App-basierte Taxi- und Transportdienstleistungen) leichter in den ÖV integriert und sukzessive ausgebaut werden.